Gemeinnützigkeit: Finanzamt verweigert die Klärung der Kategorie „politische Bildung“ – Bundesregierung muss jetzt handeln

Berlin/ Ludwigsburg, 5. Oktober 2022 – Der dreijährige Streit um die Gemeinnützigkeit des Demokratischen Zentrums Ludwigsburg (DemoZ) wurde mit einem Bescheid des Finanzamtes beigelegt, der das Zentrum künftig wieder als gemeinnützig anerkennt.

Die außergerichtliche Beilegung des Streits brachte jedoch keine Klärung der zentralen Frage, was „politische Bildung“ im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts ist.

Das Finanzamt Ludwigsburg hatte dem Verein 2019 die Gemeinnützigkeit mit der Begründung entzogen, es fehle dem soziokulturellen Zentrum bei seiner politischen Bildungsarbeit an ‚geistiger Offenheit‘. Seitdem unterstützten die GFF und Campact e.V. das DemoZ bei seinem Kampf gegen diese Entscheidung, unter anderem durch eine Klage vor dem Finanzgericht Stuttgart.

„Es ist wichtig und überfällig, dass die Gemeinnützigkeit des DemoZ endlich wieder anerkannt ist. Aber um die zentrale Frage, inwieweit Vereine politisch aktiv sein dürfen, drückt sich das Finanzamt“, sagt Sarah Lincoln, Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Vereine müssen sich für Menschenrechte, Klimaschutz oder gegen Diskriminierung einsetzen dürfen, ohne damit ihren Gemeinnützigkeitsstatus aufs Spiel zu setzen.“

Der Verein DemoZ hat zwar seinen Gemeinnützigkeitsstatus jetzt zurückerhalten. Weil die Anerkennung nicht rückwirkend gilt, bleiben dem Kulturzentrum aber die finanziellen Verluste aus den drei Jahren ohne anerkannte Gemeinnützigkeit. „Wir haben in den vergangenen Jahren ca. 12.000 Euro Förderung auf Landesebene verloren und mussten über 4.000 Euro Anwaltskosten tragen. Die ehrenamtlichen aktiven im Verein sind durch den Kampf um die Gemeinnützigkeit so ausgelaugt, dass wir zusätzlich zu den Belastungen der Pandemie kaum ein Programm gestalten konnten. Auch, weil wir nicht von Anfang an Zugang zu pandemiebedingten Fördermitteln hatten. Hätte die Klärung nicht über zwei Jahre gedauert, hätten wir heute“, sagt Yvonne Kratz, Vorstand im DemoZ.

„Die ausbleibende Antwort des Finanzamts zum Thema politische Bildung ist eine Enttäuschung für das DemoZ und alle Vereine, die sich auf diesem Gebiet für unsere Demokratie stark machen. Sie müssen weiterhin fürchten, wegen ihres politischen Engagements und einer klaren Haltung gegen Faschismus und Rechtsextremismus die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Familienministerin Paus muss ihrer Ankündigung auf dem Stiftertag möglichst schnell Taten folgen lassen und das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen: nur eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts kann für die Zivilgesellschaft Rechtssicherheit schaffen“, sagt Dr. Felix Kolb, geschäftsführender Vorstand bei Campact e.V.

Stein des Anstoßes für den Entzug der Gemeinnützigkeit waren kapitalismuskritische und antifaschistische Veranstaltungen des Vereins. Damit Vereine wie das DemoZ nicht mehr einzeln in aufwändigen Verfahren um ihre Gemeinnützigkeit kämpfen müssen, hat die GFF 2021 einen eigenen Gesetzentwurf für ein Demokratiestärkungsgesetz veröffentlicht.

Weitere Informationen zum Verfahren und zum Gesetzentwurf der GFF findet ihr unter: https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/demoz