Nach bald einem Jahr melden wir uns wieder mit einem Update zu unserer Gemeinnützigkeit. Direkt vorab: es gibt leider immer noch keine endgültige Entscheidung seitens des Finanzamts Ludwigsburg. Damit der Prozess transparent und nachvollziehbar ist, veröffentlichen wir sämtliche Schreiben des Finanzamtes und von uns – sollten Unklarheiten auftreten, sind wir per Mail über gemeinnuetzigkeit@demoz-lb.de zu erreichen. Im letzten Abschnitt des Newsletters findet ihr die neusten Schriftstücke von uns und unserem Anwalt!
Was ist im letzten Jahr passiert?
Nachdem wir mit der Zuversicht ins Jahr 2020 gestartet sind, dass sich die Meinungsverschiedenheiten mit dem Finanzamt schnell klären lassen würden, hat der Beginn der COVID-19 Pandemie sämtlichen Prozess ausgebremst. Auf unsere im Januar 2020 eingereichte Einspruchsbegründung haben wir über Monate keine Reakion seitens des Finanzamtes erhalten. Erst im Juni schrieb man uns auf Nachfrage einen Brief, dass sich die Bearbeitungszeit aufgrund von Corona verzögern werden würde. Nachdem wir in der Zeitung gelesen hatten, dass das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt schon wieder normal arbeiten könne, waren wir zwar verwundert, haben uns jedoch gegen eine Untätigkeitsklage gegen die Behörde entschieden. Zum einen würde kein Gericht in einer Pandemiesituation einschreiten, zum anderen haben wir natürlich darauf gehofft, dass das Finanzamt unserer Argumentation folgen könne. Das erste ausführliche Schreiben im Jahr 2020 erreichte uns dann am 29. September 2020. Der Inhalt: ein fünfseitiger Aufsatz über die Unklarheiten in Bezug auf unsere Vereinsarbeit und Kooperationspartner*innen. Wir wurden erneut gebeten viele Fragen zu beantworten und Nachweise über sämtliche Vereinsarbeit nachzuliefern. Auch dieser Bitte ist unser Anwalt in einem ausführlichen Schreiben nachgekommen und hat erneut dargestellt und aufgezeigt, wie Veranstaltungen in unseren Räumen zustande kommen. Auf dieses Schreiben erhielten wir am 03.03.2021 jedoch keine klare Entscheidung, sondern erneut ein 17-seitiges Schreiben seitens des Finanzamtes, welches sich ausschließlich dem Verhältnis zwischen dem Libertären Bündnis Ludwigsburg und dem DemoZ widmet. Dabei gleicht das Schreiben der Finanzbehörde eher dem Ergebnis einer interpretativen Copy-Paste-Recherche, als einer wirklichen Auseinandersetzung mit Antworten und Erklärungen der vielen Schreiben unsererseits.
Für uns ist nun klar: die zuständigen Beamt*innen möchten oder können nicht nachvollziehen, wie ein selbstverwaltetes Soziokulturelles Zentrum wie das DemoZ funktioniert. Dies nur an einem kleinen Beispiel festgemacht: auf der 6. Seite des Schreibens erklärt der*die Mitarbeiter*in der Behörde, dass die Übernahme einer Thekenschicht für „einen fremden Dritten sicherlich nicht ohne weiteres möglich wäre“ (Finanzamt, 03.03.2021). Und genau das ist es aber – natürlich können Menschen nicht das erste Mal ins DemoZ kommen und alleine eine Thekenschicht machen. Jedoch basieren soziokulturelle Zentren auf ehrenamtlicher und vertrauensvoller Arbeit von Menschen aus dem Gemeinwesen, sprich: wer ins DemoZ kommt und sich einbringen möchte, kann dies auch individuell tun, sei es durch die Übernahme einer Thekenschicht oder die Organisation einer Veranstaltung. Selbiges gilt auch für das Libertäre Bündnis Ludwigsburg, das sich seit vielen Jahren aktiv im DemoZ beteiligt, Veranstaltungen organisiert, beim Renovieren und Putzen hilft oder eben auch einmal im Monat eine DemoZ-Kneipe gestaltet. Ehrenamtlich organisierte Zentren wie das DemoZ funktionieren nur so. Es scheint für das Finanzamt nicht vorstellbar, dass sich Gruppen und Menschen ohne Eigennutz an der Gestaltung von Kneipenabenden oder der Übernahme von Aufgaben beteiligen. Daher legen unsere letzten Erklärungen nochmals den Fokus auf die Tatsache, dass sich das DemoZ durch die Möglichkeit auszeichnet, dass Interessierte sich ohne bürokratische Hürden beteiligen und das DemoZ mitgestalten können. Das kann durch die Übernahme von Thekenschichten, durch das Anregen und Planen von Vorträgen und Konzerten oder auch durch die Mitarbeit im Plenum geschehen – ohne, dass dafür eine Mitgliedschaft oder irgendein Arbeitsverhältnis notwendig ist.
Einen weiteren Punkt aus dem letzten Schreiben des Finanzamtes, den wir in diesem „Newsletter“ aufgreifen wollen ist der erneute Vorwurf des Finanzamtes, dass das DemoZ gegen das Neutralitätsgebot nach BFH-Beschluss (Az.: V R 14/20, DStR 2021, 218-222) verstoße. Um dieses Argument zu belegen, erklärt das Finanzamt im 17-seitigen Schreiben, welche Veranstaltungen das Libertäre Bündnis durchführt, welche Vorstellungen die Gruppe hat und wie das politische Weltbild der Gruppe aussehe. Dazu ist erneut klar zustellen, dass das DemoZ nicht das Libertäre Bündnis Ludwigsburg ist. Die Gruppe engagiert sich, wie bereits ausgeführt, seit Jahren im Kulturzentrum – mehr nicht! Auch wenn das DemoZ immer wieder Veranstaltungen mit dem Libertären Bündnis organisiert, so ist dies nur ein kleiner Teil eines vielfältigen Engagements. Das DemoZ ist ein Raum für vielfältige Kunst und Kultur, für Musik und für Tanz, für demokratische Debattenkultur und ein Ort des Willkommen seins für alle Menschen. Doch den Vorwurf der Verletzung des Neutralitätsgebotes bezieht die Ludwigsburger Finanzbehörde nicht nur auf satzungsgemäße politische Bildungsarbeit, sondern zitiert zum Beleg auf der letzten Seite des Schreibens vom 03.03.2021 zum einen die Vereinsvorsitzende, welche am 18./19. Januar 2020 in der LKZ mit dem Satz zitiert wurde „Wir werden uns immer politisch engagieren“ und die Aussage einer Sprecherin der Gesellschaft für Freiheitsrechte, welche im Rahmen der Beschreibung des soziokulturellen Zentrum erwähnte, dass die Menschen hier gemeinsam Kultur und Politik machen würden.
Für uns ist weiterhin klar was wir immer vertreten haben: Wir sind parteienunabhängig und positionieren uns trotzdem – und gerade deshalb – politisch. So beteiligen wir uns an aktuellen gesellschaftlichen politischen Debatten mit kritischem Bewusstsein. Dahinter steht immer die Idee von einer Gesellschaft, die als oberste Maxime nicht die Verwertung von Menschen, Tieren und Ressourcen hat, sondern die solidarisch, gleichberechtigt und sozial ist. Wir wollen Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit, Homophobie und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit sowie den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen des völkischen Nationalismus die Stirn zu bieten, nicht zuletzt, indem wir durch politische Bildungsangebote Menschen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs ermutigen und befähigen. Diese zutiefst demokratischen Werte können keinem Neutralitätsgebot widersprechen, denn sie bieten die Grundlage für eine demokratische Haltung. Wie kann eine Finanzbehörde eine solche Haltung untersagen wollen?
Leider haben auch die Erneuerung in Bezug auf die Bundespolitik keine Klärung unserer Situation ergeben. Zwar wurden im vergangenen Jahr einige gemeinnützige Zwecke erweitert, die Möglichkeiten und der Rahmen der politischen Tätigkeit von Vereinen blieb jedoch weiter unsicher, da besonders die CDU jegliche Klärung behindert hat. Wer sich hierzu mehr anlesen möchte, kann sich auf der Webseite der „Allianz – Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ informieren.
Wie ist der Stand um den städtischen Zuschuss?
Wir hoffen nun auf eine zeitnahe Entscheidung des Finanzamtes, um rechtzeitig für das nächste Jahr planen zu können. Denn auch die Förderung durch die Stadt Ludwigsburg hängt an der Gemeinnützigkeit. Zwar gibt es hier keine Gesetzgebung, die festlegt, dass nur gemeinnützige Vereine gefördert werden dürfen. Dennoch ist dies das gängige Verfahren der Stadt, so dass wir uns bei einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit darauf einstellen müssen, dass wir neue Finanzierungsmöglichkeiten finden müssen. Jedoch werden wir versuchen in den kommenden Monaten mit dem Gemeinderat und den Fraktionen in Kontakt zu treten, um eine Förderung aus Überzeugung trotz der u.U. weiterhin unklaren Rechtssituation zu erreichen. Dabei geht es erstmal weniger um den geringen Zuschuss über bisher 3050 Euro, sondern vielmehr um die Anerkennung unserer politischen und kulturellen Bildungsarbeit als wertvoll für die Demokratie und um ein Zeichen für andere Vereine im Kreis Ludwigsburg, dass sich diese aktiv für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit einsetzen dürfen. Natürlich sind wir darüber hinaus auch auf den Zuschuss der Stadt angewiesen, da es ohne diese Förderung langfristig schwierig werden wird, ein abwechslungsreiches, kostenfrei zugängliches Programm zu organisieren und das DemoZ zu erhalten. Das Ausbleiben des Zuschusses würde also Barrieren zur gesellschaftlichen Teilhabe schaffen, die wir verhindern müssen!
Wie geht es jetzt weiter?
In den kommenden Wochen erwarten wir die Entscheidung des Finanzamtes und werden, sofern diese ausbleibt eine Untätigkeitsklage vor Gericht anstreben, um den Prozess endlich zu beschleunigen.
Die Schreiben des Finanzamtes und unsere Antworten:
Schreiben vom Finanzamt vom 29.09.2020
Stellungnahme des DemoZ zum Finanzamtschreiben vom 29.09.2020
Schreiben des Finanzamtes vom 03.03.2021
Stellungnahme des DemoZ zum Finanzamtschreiben vom 03.03.2021