Warum wurde dem DemoZ im Oktober 2019 die Gemeinnützigkeit aberkannt?

Im Oktober 2019 wurde dem Demokratischen Zentrum Ludwigsburg die Gemeinnützigkeit entzogen – der Entzug fußt auf dem erst im Februar 2019 gefällten Urteil zur politischen Betätigung gemeinnütziger Vereine im Fall der bundesweit tätigen Organisation Attac Deutschland. Ziel des Urteils sollte eigentlich die Trennung zwischen gemeinnützigen Organisationen und Parteien in Bezug auf Steuervorteile sein. Mit dem Urteil ist das Bundesfinanzministerium jedoch weit über das Ziel hinausgeschossen – es ist nicht nur eine mangelnde Rechtssicherheit für sich politisch betätigende Vereine entstanden. Vielmehr ist eine grundlegende Diskussion darüber entstanden, wer in der Bundesrepublik Deutschland Teil der politischen Willensbildung ist und wer nicht. So verbietet das Urteil gemeinnützigen Organisationen die den Zweck der politischen Bildung verfolgen sowohl eine eigene politische Haltung zu äußern, als auch die politische Partizipation als solche.

Das DemoZ verfolgt die Zwecke Förderung von Kultur und Bildung, die gemäß § 52 Nr. 7 und Nr. 24 der Abgabenordnung ausdrücklich als gemeinnützig anerkannt sind. Allerdings warf das Finanzamt dem DemoZ vor, den Zweck der politischen Bildung nicht „in geistiger Offenheit“ zu verfolgen. Das Finanzamt berief sich dabei auf das im Februar 2012 ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit der Nichtregierungsorganisation Attac. Darin hatte das Gericht die Auffassung vertreten, eine Organisation könne dann nicht mehr als gemeinnützig gelten, wenn es ihr vorrangig um die Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung zur Durchsetzung der eigenen Auffassung gehe.

Diese Voraussetzung sah das Finanzamt nun auch beim DemoZ als gegeben an. Dem Verein gehe es nicht darum, gesellschaftspolitische Frage offen zu diskutieren. Stattdessen würden konkrete politische Positionen vertreten und von verschiedenen Gruppierungen innerhalb des DemoZ etwa Forderungen nach einer „herrschaftsfreien Gesellschaft jenseits des Kapitalismus“ erhoben. Dies sei mit einer politischen Bildungstätigkeit im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts nicht vereinbar. Auch würden auf der Webseite Personen von Veranstaltungen des Vereins ausgeschlossen, die „rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind.“ Nach Auffassung des Finanzamts zeige bereits dieser Ausschluss, dass es dem Verein nicht um eine „offene demokratische Diskussion“ gehe.

Welche Konsequenzen hatte die Aberkennung für das DemoZ?

Der Verlust der Gemeinnützigkeit bedrohte ernsthaft unsere Existenz und wirkte sich vor allem finanziell negativ auf uns aus. Durch die fehlende Bescheinigung der Gemeinnützigkeit konnten keine Projektfördergelder mehr beantragt werden. Auch die Landesförderung als soziokulturelles Zentrum war nicht mehr möglich.

So konnten keine größeren Neuanschaffungen getätigt werden, welche zum Beispiel im Rahmen der Corona-Pandemie unumgänglich waren. Auch hier waren sämtliche Fördergelder zunächst an das Bestehen einer Gemeinnützigkeit gebunden. Erst zum Ende der Pandemie konnten wir über die Förderung NEUSTART KULTUR eine Hilfe bekommen unsere Räume sicherer in Bezug auf die Ansteckung mit dem COVID-19 Virus zu gestalten. Unser Programm haben wir über lange Zeit fast komplett einschränken müssen trotz vieler Öffnungsschritte anderer Kultureinrichtungen.

Neben dem finanziellen Teil kostete uns das Verfahren Kapazitäten und bedeutete bürokratischen und juristischen Aufwand, welcher für einen rein ehrenamtlich arbeitenden Verein wie unseren sehr belastend war. Vor allem, weil niemand eine klare Perspektive zur Rechtslage um die Gemeinnützigkeit hatte und weiter hat – es besteht eine große juristische Unsicherheit.

Wieso ist das aktuelle Gemeinnützigkeitsrecht so problematisch?

Da wir selbst nur die Auswirkungen der Problematik zu spüren bekommen, aber keine Expert*innen im Gemeinnützigkeitsrecht sind, möchten für die Antwort auf diese Frage auf die Allianz – „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. hinweisen, bei der wir und auch die LAKS Baden-Württemberg Mitglied sind. Die Allianz ist ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen und fordert, die Gemeinnützigkeit für Organisationen der Zivilgesellschaft zu sichern, die Beiträge zur politischen Willensbildung leisten. Derzeit gehören fast 200 Vereine und Stiftungen der Allianz an. Auf der Homepage der Organisation findet ihr eine ausführliche Erläuterung zur Problematik rund um das Gemeinnützigkeitsrecht.

Welches Verständnis von politischer Bildung hat das DemoZ?

Das DemoZ hat im Kampf um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ein Positionspapier zu politischer Bildung verfasst, welches einen ausführlichen Einblick in die Perspektiven unserer Arbeit gibt.

Das Papier wurde von unterschiedlichen Institutionen unterstützt, wie z.B. der AWO Ludwigsburg, dem DGB – Region Nordwürttemberg oder dem Kulturbüro Sorglos Stuttgart

Für welche Zwecke ist das DemoZ als gemeinnützig anerkannt?

Das DemoZ verfolgt die Zwecke Förderung von Kultur und Bildung, die gemäß § 52 Nr. 7 und Nr. 24 der Abgabenordnung ausdrücklich als gemeinnützig anerkannt sind.

Warum hat sich das DemoZ sich so um die Gemeinnützigkeit bemüht?

Weil es eben nie nur um das DemoZ ging! Mit der Einengung des Gemeinnützigkeit und der Unklarheit in Bezug auf die Möglichkeiten des Auslegung entstand eine große Rechtliche Unsicherheit, die immer noch anhält, da politisch weiter nicht geklärt wurde, was politische Bildung eigentlich ist und welche Rolle die Zivilgesellschaft im Rahmen der Gemeinnützigkeit haben kann. Viele Vereine und andere gemeinnützige Organisationen sind unsicher und äußern sich deshalb nicht öffentlich zu politischen Themen. Eine Befragung der Prof.in Dr.in phil. habil. Julika Bürgin aus dem Fachbereich Soziale von der Universität  Darmstadt kam zu dem Ergebnis, dass es besonders jene Insitutionen um ihre Gemeinnützigkeit fürchten, die sich für marginalisierte Menschen einsetzen bzw. Selbstorganisation von marginalisierten Gruppen sind. Dieser Zustand ist absolut nicht hinnehmbar.

Das DemoZ ist wieder gemeinnützig – wie kam es dazu?

Der dreijährige Streit um die Gemeinnützigkeit des Demokratischen Zentrums Ludwigsburg (DemoZ) wurde mit einem Bescheid des Finanzamtes beigelegt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Campact e.V. hatten das DemoZ bei seinem Kampf gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit unterstützt, unter anderem durch eine Klage vor dem Finanzgericht Stuttgart. Das Zentrum ist ab jetzt wieder als gemeinnützig anerkannt. Die außergerichtliche Beilegung des Streits brachte jedoch keine Klärung der zentralen Frage, was „politische Bildung“ im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts ist.

Zu der Einigung mit dem Finanzamt kam es in dem ersten persönlichen Gespräch an dem u.a. ein Vertreter der Oberfinanzdirektion Karlsruhe teilgenommen hatte. Das Finanzamt vertrete nun die Einschätzung, dass man die Diskussion um die Frage, was „politische Bildung“ im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts eigentlich ist aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten könne. Das DemoZ erhielt also die Gemeinnützigkeit ab dem Jahr 2022 wieder zurück.